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Kinderüberraschung

elemente

Es war damals, als ich mal wieder als Baby-Sitter jobte. Ich sollte ei­ne kleine Kindergeburtstagsparty betreuen. Die Mama des Jubel-Kin­des war nämlich zur Entbindung eines weiteren Geschwisterchens im Hospital und der Papa auf der Arbeit. Die kleine Schaar tollte im Gar­ten und alles schien so idyllisch. Ich drehte meine Runden, um die Kinder zu beaufsichtigen und zu beschäftigen, indem ich ihnen An­regungen gab, wie sie diesen malerischen Nachmittag wohl ge­stal­ten könnten. An einem kleinen Tisch saßen vier Kinder, zwi­schen ihnen ein Gesellschaftsspiel.
Eines der Kinder war sehr zappelig, darum sagte ich:
Nimm Dir doch mal ein Beispiel an […]!
Darauf antworteten die Kinder, bis auf […], wie aus einem Munde:
Der is' ja auch tot!

Ich war paralysiert! Ich starrte das Kind an, das Kind schien mich an­zu­starren. Kinder lügen nicht, schon garnicht so haarstreubend. Kein Zweifel also, das Kind war tot. Ich berührte es vorsichtig, es war gar kalt und starr.
Ich fragte, wie's passiert sei und sie erzählten, das Kind sei auf die Per­gula geklettert, heruntergefallen und von da an tot gewesen. Man sei übereingekommen, daß das Kind zum ausgleich Mensch, ärgere Dich nicht! spielen wolle. Das alles sei passiert, als ich im Haus ge­wesen sei, um die vorbereitete Überraschung für das Geburtstags­kind zu holen.
Du bist d'ran! sagte dann das Kind, das dem toten gegenübersaß, als sei der Todesfall ausreichend besprochen, und überreichte die Würfel dem Kind zu seiner Linken. Ich beobachtete fasziniert ihr un­schuldiges Spiel. Was würde passieren, wenn das Kind, das gerade an der Reihe war, seinen Spielzug beendet haben und die Würfel weiter reichen würde an das tote Kind? – Mein Gott, das tote Kind!

Nervös fingerte ich das Händie für Notfälle aus der Tasche, wählte die 110, die Nummer also, die auch bei gesperrter Tastatur im­mer noch wähl­bar ist. Mein Glück! Ich wäre sicher in jenem Moment nicht in der Lage gewesen, die Tastatur zu entsperren.
Ja, guten Tag, Notrufzentrale […], sie sprechen mit […]! erklang es freundlich aus dem Notfall-Händie.
Ja! stammelte ich Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll!
Sagen Sie doch erstmal Ihren Namen! schlug die freundliche Stim­me vor.
Ich sagte ihr meinen Namen, meine Telephonnummer, wo ich gerade war und warum. Und weil ich gerade so flüssig dabei war, erzählte ich ihr auch gleich noch von dem toten Kind, das gerade Mensch, är­ger Dich nicht! spielen durfte und, was das Nichtärgern anbelangte, vermutlich erheblich im Vorteil war.
Die freundliche Stimme war nicht mehr ganz so freundlich, als sie mir zusicherte, daß in Kürze jemand vorbeikäme.
Das Gespräch wurde beendet und ich übernahm es in dieser Runde für das tote Kind zu würfeln und zu ziehen.


Diese Geschichte entstandt 2000 am 29. Oktober.
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